Brasiliens Machtkampf am Weg zur COP 30
Brasiliens Regierung hat sich für einen klima-, umwelt- und menschenrechtsfreundlichen Kurs entschieden. Doch die Opposition drängt auf schonungslose Ausbeutung aller Ressourcen. Kräftemessen ist an der Tagesordnung, Opfer werden gefordert, Umwelt und Indigene Völker leiden. Doch die Justiz mischt die Karten neu auf und der Weg zur COP30 nach Belem 2025 wird spannend.
Regenwaldschutz geht uns alle an
„50 Millionen Menschen leben im Amazonas-Gebiet - sie sind die Protagonist:innen der COP 30 2025 in Belem“ kündigt Präsident Lula im Juni 2023 an. „Nachhaltiges Leben, Klima- und Umweltschutz sind unsere Verpflichtung, die Reindustrialisierung Brasiliens soll auf der Grundlage des ökologischen Wandels und der regionalen Integration erfolgen“ hieß es beim Weltwirtschaftsgipfel Davos 2023.
Präsident Lula verpflichtete sich bei seinem Amtsantritt, Brasilien wieder in die internationale Staatengemeinschaft zurückzuführen und vor allem den Regenwaldschutz besonders zu beachten. Erste Erfolgsmeldungen zu sinkenden Abholzungsraten bestätigen das.
Während wir Anfang Mai noch die Demarkierung der ersten sechs Territorien unter der neuen Regierung und den Erfolg unser Partnerorganisation FOIRN am Rio Negro feierten, blicken wir heute auf ein sehr ernüchterndes Szenario.
Hexenjagd, titeln die brasilianischen Zeitungen!
Im Parlament ist ein wilder Machtkampf entbrannt – die Mehrheit aus Agrar- und Minenlobby, Bolsonaro-Anhänger:innen und Mitläufer:innen versucht mit allen Mitteln, den Richtungswechsel der Politik zu stoppen. Die ambitionierten Klima-, Umwelt- und Menschenrechtspläne der progressiven Regierung Lula sollen unterbunden werden. Der Regenwaldschutz und die Autonomie und Mitbestimmungsrechte der indigenen Völker, ihr eigenständiger Lebensweg, stehen den Interessen der großen Lobbies im Wege..
So sind die Entmachtung der Ministerien von Sonja Guajajara (indigene Völker) und Marina da Silva (Umwelt/Klima) sowie der Marco temporal / PL 490 Gesetzesentwurf eine Kriegsansage an die Regierung. Der indigenen Mitregierung soll rasch ein Ende gesetzt werden, die Länderdemarkierungen müssen aufhören (und rückgängig gemacht werden können). Der Gesetzesentwurf widerspricht den in der Verfassung verankerten Rechten der Indigenen und steht in krassem Widerspruch zum Pariser Klimaschutzübereinkommen, Umwelt- und Klimaschutz sind schwer beeinträchtigt.
Doch damit nicht genug: parlamentarischer Widerstand wird nicht geduldet. Sechs der Abgeordneten, die gegen die PL490 gestimmt haben, droht die Amtsenthebung! Wenige Stunden nach der Abstimmung wurde der Prozess gegen sechs Frauen, unter ihnen die Indigene Célia Xakriaba, eröffnet!
Die nächste Konfrontation steht schon an: mögliche Erdöl-Testbohrungen im Naturschutzpark Cabo Orange im Amazonasbecken. Das Projekt wurde unter Bolsonaro begonnen, vom (rechten) Minenminister weiter betrieben und soll nun laut Umweltbundesamt (IBAMA) vor dem Aus stehen. Der geplante Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, die zu erwartenden Umweltschäden und die fehlende Befragung der indigenen Lokalbevölkerung sind ausschlaggebend für das Ibama-Verbot.
Die Justiz als Protagonistin des Rechtsstaates
Der rechten Machtdemonstration im Parlament steht eine extrem effektiv arbeitende Justiz gegenüber. Das Kräftemessen zwischen Präsident Lula’s progressiver Regierung und der Opposition zeigt, dass es für die großen Agrarunternehmen, Minengesellschaften und Bolsonaro-Anhänger:innen, enger wird. Ein Ende der Ungestraftheit scheint in Sicht.
Unter dem PT-Minister Flavio Dino wird die Bolsonaro Regierung für ihre Umwelt- und Menschenrechtsverbrechen zur Verantwortung gezogen, fragwürdige Gesetzesentwürfe wie die PL 490 werden vom obersten Gerichtshof hinterfragt. Ex-Präsident Bolsonaro muss sich wegen Korruption, Amtsmissbrauch, Dokumentenfälschung u.a. Delikten verantworten. Der Mord an Marielle Franco steht vor der Aufklärung. Viele Ex-Politiker und Juristen (wie Lava-Jato Macher Delagnol) verlassen das Land Richtung Miami…
Für die 42 Politiker:innen der Mitte-Rechts Parteien, die Ländereien in indigenen Territorien besetzt halten, sind das keine guten Neuigkeiten.
Auch für die brasilianischen Agro-Riesen JBS, Marfrig e Minerva, die für 70% der brasilianischen Fleischexporte verantwortlich sind, könnte es eng werden. Das „Forbidden Stories“ Journalist:innen Netzwerk und die holländische NRC decken ihre Verflechtung in Umwelt- und Menschenrechtsverbrechen auf. In den letzten sechs Jahren wurden ca. 800 Millionen Bäume im Umfeld ihrer Schlachthäuser gefällt, indigene Territorien mit eingeschlossen! Die Lieferkettentransparenz wird umgangen.
Auch für die Minenbetreiber wird es gefährlich. Nicht nur, dass unter Ministerin Sonia Guajajara ca. 20.000 illegale Goldgräber aus dem Yanomami-Territorien vertrieben werden konnten, hat auch der Minister Gilmar Mendes vom Obersten Gerichtshof einen richtungsweisenden Beschluss gefasst: das Gesetz, das den Kauf von Gold in gutem Glauben ermöglicht, ist abzuschaffen. Der Gouverneur von Roraima, Antonio Denarium (PP) wird wegen seiner Geschäftsbeziehungen zur illegalen Goldgräberei angeklagt.
Die 169 Morde an Umwelt- und Menschenrechtsaktivist:innen unter der Regierung Bolsonaro werden in einem anderen Licht beleuchtet. Den Nutzniesser:innen und Auftraggebern dieser Verbrechen droht jetzt die Anklage.
Gemeinsam für unser Klima
Wird es diesen rückwärtsgewandten Lobbies trotzdem gelingen, das ambitionierte Projekt eines umwelt- und menschenrechtsbewußten Brasiliens zu stoppen? Werden sich die Klima-Interessen der Weltgemeinschaft den Partikularinteressen von Umweltverbrechern beugen?
Die COP30 2025 in Belem im Amazonas abzuhalten, ist ein Appell für internationale Solidarität. Der Regenwaldschutz ist ein internationales Anliegen, Brasilien und die indigenen Völker brauchen dafür unsere Unterstützung.
Lulas Politik der weltweiten Allianzenbildung, u.a. der Wiederbeitritt zum Pariser Klimaabkommen, die Wiederbelebung des Amazonien-Fonds aber auch internationale Abkommen wie Merco-Sul oder die ILO 169 können der Agrar- und Minenwirtschaft selbst zum Fallstrick werden. Das Abkommen Merco-Sul könnte ein Werkzeug für die Einhaltung von Umwelt-, Klima und Menschenrechtsstandards in Brasilien sein – und somit wirklichen Druck auf die machthabenden Lobbies ausüben.
Und wir als Konsument:innen in Österreich können mit unseren bewussten Kaufentscheidungen, unserem Mobilitätsverhalten, unserer politischen Mitbestimmung aktiv an einem abholzungsfreien Weg zur COP30 in Belem mitarbeiten. Für ein besseres Weltklima!
Hier geht es zu 30 Jahren Partnerschaft mit der FOIRN, am Rio Negro.